„Chiemgau-Autoren“ stellen im Bergener Festsaal neue Anthologie „Zwischenräume“ vor
Begleitet von rockigen Klängen der Band Status Seeker stellte der Verein „Chiemgau-Autoren“ im Bergener Festsaal seine mittlerweile vierte Anthologie „Zwischenräume“ vor. Nach den Beschränkungen der Corona-Zeit war die Stimmung unter den rund 40 Besuchern sichtlich gelöst, als 13 Autoren kurze Ausschnitte aus den einzelnen Werken vorlasen.
Seit der Gründung 2015 hat sich der Verein inzwischen auf 75 Mitglieder aus den Landkreisen Traunstein, Rosenheim und Berchtesgadener Land samt dem benachbarten Österreich vergrößert. Unter dem Thema „Zwischenräume“ beschäftigen sich die Textschöpfer mit den Unsicherheiten im Zwischenmenschlichen in Folge der Pandemie und zeigen Lösungsansätze und neue Sichtweisen auf.
Moderatorin Eva Eckhardt aus Bad Aibling unterteilte in Bergen die Texte nach ihrer Wirkung auf unterschiedliche Sinnesreize. Welche Emotionen und inneren Bilder rufen Lautmalereien, Sprachrhythmen oder Buchstaben-Stakkatos der einzelnen Texte im Zuhörer wach? Ingeborg Schmid rezitierte drei selbstkomponierte Passagen aus dem Ötztal, dessen Dialekt als „älteste bairische Binnenmundart“ 2010 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe Tirols aufgenommen wurde.
Elisabeth Thielemann rezitierte auf Bairisch in ihrer auf Tatsachen beruhenden Geschichte „Dem Jockerl sei Papa“ Begebenheiten aus dem von Alkohol geprägten, bäuerlichen Leben, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Aschau zugetragen hat. Marion Liedtke brachte mit einer kunstvoll gedrechselten, launigen Alliteration um den Buchstaben „Z“ den Saal zum Lachen.
Im zweiten Block gab Uta Grabmüller an Stelle von Gustl Lex die dramatische Bergungsaktion eines im Chiemsee-Eis versunkenen Radls zum Besten. Im Kältewinter von 1929 war das Zweirad noch ein sehr kostbares Gut. Karl-Heinz Austermayer stellte kurzweilige Betrachtungen „Über das Ratschen“ an.
Eine kleine „Überraschung“ über die raffinierten Liebesverstrickungen einer berechnenden Startup-Gründerin hatte Reinhold Schneider textlich im Gepäck. Uta Grabmüller brachte im deutsch-ukrainischen Duett mit Robert Gapp die Seelennöte, Verletzungen und Grenzüberschreitungen anschaulich zu Gehör, die der aktuelle Krieg in den Menschen auf der Flucht hinterlassen hat. Sie zitierte dabei Gedanken der ukrainischen Autorin Halynja Petrosanjak. „Mit den Spendeneinnahmen des Abends wollen wir die Betreuung ukrainischer Kinder in Bergen unterstützen“, sagte sie.
Welche körperlichen Empfindungen die Emotionen und Erinnerungen an den Tod geliebter Menschen am Grab der Mutter auslösen, schilderte Anette Hendl in ihrem Text „Zwischen den Zeilen“. Barbara Ammer machte die körperlichen Zustände und Nöte von Stress und Verzagtheit in der Wechselphase zu einer neuen Anstellung deutlich. Über die überraschenden Zwischenräume des Alltags sinnierte im abschließenden Viererblock Sepp Obermüller. Gudrun Bielenski entführte die Zuhörer im fränkischen Mundart-Dialekt ins Affenhaus im Zoo. Angesichts einer immer wilder werdenden Keilerei unter Schimpansen-Alphatieren waren die Zuschauer froh, hinter der sicheren Scheibe Zeugen des Geschehens zu werden.
Katalin Jesch lotete in ihrem Gedicht „Zwischenräume“ Assoziationsketten und Gedankenspiele in den Sinnräumen verschiedener Wörter aus. Ibsens Schauspiel „Die Frau am Meer“ mag wohl Sybille Trapp zu ihrem stimmungsvollen Kurztext „Zwischenstopp“ inspiriert haben. Hier wie dort geht es um die Liebelei zu einem Seemann, dessen eigentliche Sehnsucht nur dem Meer gehört.
Quelle: Axel Effner, Traunsteiner Tagblatt
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